14.11.2005


Fußball WM 06: Verfassungsschutz soll 220.000 WM-Mitarbeiter überprüfen

Nach Informationen des Focus sollen zum Schutz vor Terroranschlägen während der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland 2006 alle Stadionmitarbeiter vom Verfassungsschutz überprüft werden. Überprüft werden sollen freiwillige Helfer, Reinigungspersonal, Journalisten und auch die Spieler. Insgesamt soll sich die Zahl der zu überprüfenden auf 220.000 belaufen. Während das Organisationskomitee der WM von einer banalen und üblichen Sicherheitsvorkehrung spricht, sieht der Bundesdatenschutzbeauftragte die Maßnahme als überzogen an. Kritik kommt auch von einem Chef einer Landesverfassungsschutzbehörde: Ihm fehle nach Focus Angaben ein entsprechendes Gesetz. Nach Angaben des Bundesinnenministerium ist diese Überprüfung für die WM zusätzlich zur bisherigen polizeilichen Überprüfung eingeführt worden.

Zur rechtlichen Lage ist folgendes anzumerken. Rechtsgrundlage für den (Bundes-) Verfassungsschutz zur Mitwirkung bei einer Sicherheitsüberprüfung ist § 3 Absatz 2 BVerfSchG. Dieser lautet:

"Die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder wirken mit
1. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, denen im öffentlichen
Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder
Erkenntnisse anvertraut werden, die Zugang dazu erhalten sollen oder ihn
sich verschaffen können,
2. bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen, die an
sicherheitsempfindlichen Stellen von lebens- oder verteidigungswichtigen
Einrichtungen beschäftigt sind oder werden sollen,
3. bei technischen Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von im öffentlichen
Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder
Erkenntnissen gegen die Kenntnisnahme durch Unbefugte."

Relevant ist für vorliegende Überprüfung die Nummer 2. Die Sicherheitsüberprüfung selber und die damit verbundenen Befugnisse sind im Sicherheitsüberprüfungsgesetz geregelt. Da ist dann auch der Begriff „lebenswichtig“ legal definiert. Gemäß § 1 V SiÜG sind darunter solche Einrichtungen zu verstehen,
"(1.) deren Beeinträchtigung auf Grund der ihnen anhaftenden betrieblichen
Eigengefahr die Gesundheit oder das Leben großer Teile der Bevölkerung
erheblich gefährden kann oder
(2.) die für das Funktionieren des Gemeinwesens unverzichtbar sind und deren
Beeinträchtigung erhebliche Unruhe in großen Teilen der Bevölkerung und
somit Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung entstehen
lassen würde."

Darunter ist gewiss das Wasserkraftwerk oder der Atommeiler und ähnliches zu verstehen, aber wohl kaum ein Fußballstadion. Ansonsten - so wäre wohl zu schlussfolgern - müssten bereits jetzt alle Beschäftigten von großen Fußballstadien einer solchen Überprüfung unterzogen worden sein. Dies ist aber - soweit bekannt - nicht geschehen.

Bundesgesetzlich ist also – soweit ersichtlich – keine Rechtsgrundlage für eine Sicherheitsüberprüfung durch den Verfassungsschutz gegeben. Der Bundesverfassungsschutz hat demnach schon mal keine Rechtsgrundlage für eine solche Überprüfung, die für die Betroffenen einen nicht unerheblichen Grundrechtseingriff darstellen würden.

Bleibt noch ein Blick in das Landesgesetz und die Frage, ob nicht die Verfassungsschutzbehörden der Länder eine solche Überprüfung vornehmen könnten. Stellvertretend sei hierzu auf Sachsen geschaut – dieses Bundesland ist relevant. Schließlich ist auch Leipzig ein Austragungsort der WM. Gem. § 2 II SächsVSG wirkt der Verfassungsschutz über die bereits oben zitierten Bereich hinaus mit:
"(4.) auf Ersuchen der Einstellungsbehörden bei der Überprüfung von Personen, die sich um Einstellung in den öffentlichen Dienst bewerben, sowie auf Anforderung der Beschäftigungsbehörde bei der Überprüfung von Beschäftigten im öffentlichen
Dienst, wenn der auf Tatsachen beruhende Verdacht besteht, dass sie gegen die Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen,
(5.) auf Ersuchen der für Einbürgerung zuständigen Behörden bei der sicherheitsmäßigen Überprüfung von Einbürgerungsbewerbern sowie
(6.) bei Überprüfungen, soweit dies gesetzlich vorgesehen ist."

Nr. 4 und 5 scheiden aus. Und für eine Überprüfung nach Nr. 6 fehlt es bzgl. der Fußball WM an einem entsprechenden Gesetz. Der bloße Wunsch des Organisationskomitees kann eine solche Rechtsgrundlage nicht ersetzen. Soweit ersichtlich wäre mithin eine Überprüfung von diesen 220.000 Beschäftigen auch durch den Landesverfassungsschutz nach derzeitigem Stand der Dinge nicht legitimiert - freilich unter der Prämisse, die anderen Landesgesetze sind der sächsischen Regelung gleich.