Wiederholungs- und Vertiefungsfragen

§ 1: Vom Schlagwort zur Definition

Bsp.: schwarze Konten bei Siemens, VW-Abgasaffäre, erkauftes Sommermärchen, Cum-Ex-Geschäfte, Finanzkrise, Wirecard, Subventionsbetrug bei Corona-Soforthilfen, Ecomafia, Theranos-Skandal

hohe Schäden, sehr komplex, internationale Bezüge, lange Verfahren mit hohem Verteidigungspotenzial, Unternehmen oder Individuen als potenziell Verantwortliche, geringes Unrechtsbewusstsein (mehr auf KK 38 ff.)

Grundsätzlich unterschieden werden können kriminologische Ansätze („White Collar Crime“; „Occupational Crime“; „Corporate Crime“; Folgen von Wirtschaftsdelikten), dogmatische Ansätze (Systematisierung nach Rechtsgütern und nach Schutz von Instrumenten des Wirtschaftsverkehrs) und prozessual-kriminalistische Ansätze (§ 74c I Nr. 6 GVG).

Hauptsächlich über den Tatbestand der Untreue. Eine umfangreiche Aufarbeitung gab es aber nicht. Überhaupt ist fraglich, ob die Untreue den Kern des verwirklichten Unrechts trifft.

§ 2: Kriminologische Befunde

Zahlenmäßig verhältnismäßig geringer Anteil an allen Straftaten insgesamt und weit überdurchschnittliche Aufklärungsquote, beides ist jedoch durch ein mutmaßlich hohes Dunkelfeld zu relativieren. Hoher Anteil am insgesamt durch Kriminalität entstandenen Schaden.

Lange Verfahren wegen erhöhter sachlicher und rechtlicher Komplexität der Fälle und Nachweisproblemen; niedrige Anzeigenquote; oft keine Anklageerhebung, sondern Erledigung etwa durch Einstellung; milde Sanktionen, da Tätern oft günstige Legalprogonose ausgestellt werden kann.

Effizienz von Whistleblowing-System fraglich; durch Zusicherung von Anonymität droht ein Missbrauch zu Denunziations-Zwecken; es wird nur der Status quo aufrechterhalten, ein kritisches Hinterfragen des Wirtschaftssystems als solchem unterbleibt

Rational-choice-Ansatz; anomietheoretische Ansätze; Subkulturtheorie und lerntheoretische Ansätze; Theorie der Neutralisierungstechniken; Sog- und Spiralwirkung; Theorie der differentiellen Gelegenheiten; Kontrollbalance-Theorie; Interaktionistische Ansätze/labeling approach

Durch außerstrafrechtliche Sanktionen (z.B. Androhung von Wettbewerbsnachteilen; Einschränkung der Unternehmensautonomie); faktische Prävention (z.B. Genehmigungserfordernisse für die Teilnahme am Markt) oder Corporate Governance.

§ Quellen und Entwicklungslinien

Kernstrafrecht (z.B. §§ 263, 266 StGB) und zahlreiche Gesetze des Nebenstrafrechts (z.B. AWG, HGB, UrhG, WpHG)

pro Kernstrafrecht: kein Bagatelldelikt; generalpräventive Kraft des Strafrechts greift eher (aber: kriminologisch nicht abgesichert), Harmonisierung und Gleichbehandlung wirtschaftsstrafrechtlicher Tatbestände

pro Nebenstrafrecht: gesetzestechnisch einfachere Bezugnahme möglich, StGB von kurzlebigen Vorschriften verschont, Kompliziertheit der Strafbestimmungen, Gesetzesökonomie

Die EU kann gestützt auf Art. 325 IV AEUV selbst Strafrecht setzen (h.M.) und über Art. 83 AEUV die Mitgliedstaaten zur Angleichung bestimmter nationaler Straftatbestände anweisen. Daneben sind nationale Straftatbestände ggf. wegen des Vorrangs des Unionsrechts unanwendbar oder müssen unionsrechtskonform ausgelegt werden.